Es ist nicht möglich, sich aus eskalierenden Konflikten heraus zu halten.

“You can either be part of the solution or you can be part of the problem. What do you choose? There is no in-between.” (Dr. P. McGraw)
Carolyn Steen
Carolyn Steen - Psychologische Lebensberatung, Coaching, Krisenintervention

Nach Trennung und Scheidung kommt es in ca. 18% bis 20% der Fälle vor, dass sich Konflikte, die u.A. zu der Trennung geführt haben, nicht relativieren und besänftigen, sondern im Gegenteil sogar eskalieren. Oft erreicht der Streit so extreme Konfliktstufen das eigentlich keine Lösung mehr erzielt werden kann – sogar bis hin zu dem, was wir auch als “Rosenkrieg” bezeichnen und aus dem Film “War of the Roses” (Der Rosenkrieg) aus dem Jahr 1989, ein Film von Danny DeVito mit Michael Douglas, Kathleen Turner, kennen. Der Streit eskaliert so weit, dass beide Konfliktparteien nur noch an der “Vernichtung” des anderen interessiert und bereit sind, den eigenen Untergang dabei hinzunehmen. Die Hauptsache erscheint dabei zu sein, dass der andere vernichtet wird. Der “totale Krieg”.

“Wir konstruieren Feinde, damit wir unsere eigenen Fehler nicht wahrnehmen müssen. In Krisenzeiten wird oft ein Feindbild gesellschaftlich aufgebaut, um von den wahren Ursachen sozialer Missstände abzulenken.”
Michael Reitz

Wären dabei keine unbeteiligten Dritte betroffen könnte man vielleicht behaupten, dass es einen selber nichts anginge, es die “Privatsache” der beiden Kontrahenten sei und ein Eingreifen sich daher ausschließe. Oft scheint das soziale Netzwerk auch der Überzeugung, dass ausschließlich “eine Seite” den Konflikt erzeugen und befeuern würde und man darüber hinaus auch gar nicht eingreifen könne. Man selber sei ohnehin nicht Teil des Konfliktes und einem selber könne das nicht passieren…

Da allerdings immer auch Familie und Freunde und vor allem in den meisten Fällen auch minderjährige Kinder Kollateral-Opfer sind, ist es aus meiner Sicht absolut notwendig, sich als Teil des erweiterten Netzwerks NICHT auf den sprichwörtlichen “moral high ground” zurück zu ziehen, sondern sich aktiv und allparteilich vor allem im Sinne der betroffenen Kinder zu engagieren.

Hier stossen wir oft auf ein Dilemma: mischen wir uns ein, werden wir nicht selten ebenfalls zu Kollateral-Opfern. Wir werden selber angefeindet oder abgelehnt, oder schlimmstenfalls könnten wir zu Alliierten im Krieg der Eltern gegeneinander entarten. Mischen wir uns nicht ein, sind wir als passive Zuschauer immer noch Teil des Konfliktes und vor allem haben wir durch unser unbeteiligtes Wegschauen Anteil am Leid der betroffenen Kinder – ganz im Sinne von P. Watzlawick kann man genauso wenig nicht Teil des Konfliktes sein, wie man nicht nicht kommunizieren kann. (“Man kann nicht nicht kommunizieren. Auch ohne Worte stehen wir jederzeit im Austausch mit unseren Mitmenschen – ob wir wollen oder nicht.” P. Watzlawick) Sobald wir also Kenntnis eines hocheskalierten Konfliktes haben, in dem Kinder direkt oder indirekt involviert sind, werden wir Teil des Konfliktfeldes – ob wir es wollen oder nicht.

Was ist also notwendig? In erster Linie sollte ich als Teil des Netzwerks sobald ich von einem derartigen Konflikt Kenntnis erhalte anerkennen, dass es mich ganz persönlich trifft und betrifft. Die allermeisten Menschen sind dazu erzogen und auch sozialisiert worden, eher peinlich berührt den Blick abzuwenden, wenn sie einem derartigen Verhalten gegenüber stehen. Viele Angehörige des erweiterten Netzwerks tendieren in hocheskalierten Konflikten dazu, das Erfahrene und Erlebte zu tabuisieren.

Eltern, die in Hochkonflikt Trennungen und Scheidungen verstrickt sind, brauchen Mitgefühl (NICHT Mitleid) und Verständnis für ihr völlig menschliches Verhalten und Versagen. Sie brauchen Anteilnahme und konstruktive offene und mitfühlend zugewandte Kritik. Es geht nicht um Zustimmung, sondern um Mitgefühl. So gut wie kein Elternteil in einem derartigen Konflikt, findet sich selber oder den Streit “gut” oder “richtig” und möchte sich in einer derartigen Situation wiederfinden. Grund für die Eskalation des Konfliktes sind verschiedene psychologische und soziale Dynamiken, die dazu geführt haben, dass die beteiligten Eltern unbewusste und oft sehr alte und nicht erkannte Lösungsstrategien für sich anwenden, die für alle Beteiligten destruktiv sind. Sie sind in den aller meisten Fällen keine bösen oder schlechte Menschen, die ihren Kindern schaden wollen, sondern selber verletzte und aus unbewussten Mustern handelnde Eltern.

Sobald ich mir als Aussenstehender dessen bewusst bin (und dies nicht nur denklogisch verstehe, sondern auch fühlen kann), ist es möglich, im Sinne der Kinder sanft und mitfühlend auf beide Elternteile einzuwirken, ohne mich im Konflikt zu verstricken oder selber zum Feind machen zu lassen.

Dabei darf ich im Umgang mit hochstrittigen Elternpaaren ebenfalls beachten, dass Feindbilder von Eltern oft konstruiert werden, um die eigenen Fehler nicht wahrnehmen zu müssen. Dies wäre oft zu schmerzhaft und könnte das eigene Selbstbildnis derart gefährden, dass es als unerträglich empfunden wird. Daher ist es aus meiner Erfahrung wichtig, im Umgang mit Eltern in Hochkonflikt Trennungen und Scheidungen schonungsvoll und mit viel Sanftmut und Verständnis für die Fehlbarkeit unserer menschlichen Erfahrung vorzugehen.

Vorgehen sollten wir dennoch meiner Meinung nach alle. Denn mische ich mich nicht konstruktiv und im Sinne der Deeskalation für die betroffenen Kinder in den Konflikt ein, bin ich Teil des Problems.

Carolyn Steen – Psychologische Lebensberatung, Coaching, Krisenintervention, Trennungs- und Scheidungsberatung – Im Mittelpunkt des Lebens